Die deutsche Volleyball-Nationalmannschaft der Gehörlosen ist aus Taiwan zurückgekehrt!
Vor den Deaflympics betonten unsere Spieler in einem Interview (”Stimmen zu den Deaflympics“), sie wollten unbedingt die allererste Medaille nach Deutschland mitbringen. Der Deutsche Gehörlosen-Sportverband und viele andere haben damit nicht gerechnet, dass wir bei den Deaflympics in Taipei mit Bronze belohnt werden würden.
Endlich, nach 30 medaillenlosen Jahren holten wir die erste Olympia-Medaille nach Deutschland und schreiben damit Geschichte im deutschen Gehörlosen-Volleyball. Es ist eine Sensation und für uns der größte Erfolg bisher.Von Platz 5 bei den Deaflympics 2005 in Melbourne, beziehungsweise Platz 7 bei den Deaflympics 2001 in Rom, auf den jetztigen 3.Platz hat sich die Leistung der deutschen Mannschaft extrem gesteigert.
Die Förderungsstufe von Kader B auf Kader A (Kaderzugehörigkeit) wurde vor vier Jahren aufgrund des 5. Platzes bei den Deaflympics 2005 erhöht. Nun ist die gesamte Mannschaft besser gefördert (von der dt. Sporthilfe und von den deutschen Olympiastützpunkten, zu denen die meisten Nationalspieler einen Zugang haben). Außerdem hatten die meisten Stammspieler regelmäßige Trainingseinheiten bei ihren hochklassigen, hörenden Klubs und haben somit viel Spielpraxis bei DVV-Punktspielen gesammelt. Durch die Europameisterschaft 2007 (2.Platz) in Belgien und Weltmeisterschaft 2008 (4.Platz) in Argentinien blieb das deutsche Team unter Bundestrainer Christian Stebel immer am Ball, um sich mit anderen starken Ländern auf gleicher Ebene begegnen und duellieren zu können. Der aktuelle Erfolg mit der Bronze-Medaille ermutigt uns, so erfolgreich weiterzumachen.
Die größte Sportveranstaltung der Gehörlosen, die „Deaflympics in Taipei“ (siehe auch Vorbericht) vom 5. bis 15 September 2009 unter dem Motto ”Power in Me” war einfach unbeschreiblich großartig, faszinierend, perfekt und professionell organisiert wie die Olympischen Spiele in Peking. Das Medieninteresse in der ganzen Millionenmetropole Taipei war überraschend groß. Vor allem die überwältigende Eröffnungsfeier (und auch Abschlussfeier) lieferten die besten Highlight-Bilder für die TV-Sendungen der asiatischen Bevölkerung und die restliche Welt. Viele öffentliche chinesische und englische Sonderzeitungen platzten vor bunten Bildern, Geschichten, Interviews und Ergebnissen sowie Medaillenspiegel über die Deaflympics. Meistens standen die Deaflympics auf den Titelseiten der Zeitschriften. Ca. 4200 Teilnehmer, die aus 85 verschiedenen Ländern in Taipei zusammenkamen, haben sich barrierefrei kennengelernt, unterhalten und sich gegenseitig im Sport zu Höchstleistungen angetrieben. Alle sind ganz begeistert und stolz auf die schönste Deaflympics aller Zeiten. Laut Taipei Times vom 16. September 2009 (ein Tag nach der Abschlusszeremonie) bezeichnete die bereits zurückgetretene ICSD-Präsidentin Donalda Ammons (U.S.A) die Deaflympics in Taipei als die besten Spiele überhaupt. Sogar der aktuelle ICSD-Vizepräsident Josef Willmerdinger (GER) würdigt die Stadt Taipei mit dem Zitat “Taipei ist der Beste” in der Zeitung. Die Regierung von Taipei hat angeblich 330 Millionen US $ für die fünfjährige Vorbereitung und Deaflympics-Organisation ausgegeben. Sicherlich haben die riesigen Plakatwerbungen an Hochhäusern und PR-Aktionen auf den Straßen die Deaflympics über die ganze Stadt hinaus bekannt gemacht.
Wir Volleyballer wurden oft angenehm überrascht und werden die Erlebnisse trotz der schwierigen klimatischen Bedingungen (unangenehm heiß, schwül und tropisch) nicht vergessen. Es begann mit einem herzlichen Empfang der Taiwaner beim Ankunft am Flughafen und im Hotel. Die Spiele wurden dann auf professionellem Niveau in der schönsten und größten Halle der Stadt ausgetragen und endeten für uns erfolgreich mit Bronze. Wir bekamen sogar sehr aufmunternde taiwanesische, aber auch zahlreiche deutsche Fan-Unterstützung, die uns am Ende als Helden gefeiert haben. Beim ersten Training machten wir unser Trikot in kürzester Zeit durch extremes Schwitzen ganz nass und mussten mehrere Liter Wasser in regelmäßigen Zeitabständen trinken, um den Flüssigkeitshaushalt zu kompensieren. Einige Spieler von uns mussten Schwindelgefühle überstehen. Nach dem Training und den jeweiligen Spielen erlaubte uns der Bundestrainer, die freie Zeit selbst zu gestalten: entweder zum Pool in unserem gigantischen Hotel zu gehen, im luxuriösen Hotel einfach auszuruhen und TV-Wettkämpfe wie Taekwondo, Tischtennis, Leichtathletik, Badminton etc. im TV zu verfolgen oder vor Ort unseren deutschen Teams in den verschiedenen Disziplinen anzufeuern. Wir durften uns auch die atemberaubende Stadt Taipei ansehen und gingen einkaufen, wenn kein Spiel auf der Tagesordnung war. Wir machten auch viele Fotos von der verrückten Stadt und natürlich rund um die Deaflympics. Wir waren in dem Turm Taipei 101, einer der höchsten Wolkenkratzer der Welt (508 Meter hoch) und fanden es einfach spitze.
Unser Hotel versuchte für uns deutsch zu kochen. Das Frühstück und das Abendessen im Hotel schmeckten aber ganz anders und irgendwie war es für uns alle gewöhnungsbedürftig. Fische, Sushi, Chicken, Beef und Meeresfrüchte wurden sehr oft zubereitet. Für das Mittagsessen durften wir uns selbst ein Restaurant aussuchen, bevor wir dann zum Spiel gingen. Viele Volontäre begrüßten uns immer ganz freundlich, wenn wir die Halle vor dem Wettkampf oder Training betraten, und verabschiedeten sich auch nett von uns, wenn wir nach dem Wettkampf auf dem Weg zum Sonderbus, der uns extra zur Verfügung gestellt wurde, gingen und damit zum Hotel heimfuhren. Es hat auch einen großen Ansturm weiblicher Fans, vor allem von jungen Volontärinnen, nach jedem Spiel gegeben. Sie wollten nämlich ein Bild mit großen und gut aussehenden Volleyballern und Autogramme für sich haben. Manchmal war dies einfach zu viel für uns. Der Chef unseres Hotels lud uns und die schwedischen, britischen und irischen Medaillengewinner, die auch im gleichen Hotel wohnten, zu einem Ehrenfest ein und bescherte uns einige Geschenke zu unseren Erfolg. Polizisten waren rund um die Uhr für uns im Hotel und in der Halle da und sorgten für Ordnung, Sicherheit und unser Wohlbefinden während der Deaflympics. Zur Sicherheit begleiteten manchmal auch Polizeiautos unseren Bus auf dem Weg zum Wettkampf.
Bei der Abschlussfeier wurden alle Teilnehmer zum großen ausverkauften Stadion eingeladen und ließen sich von tollen Programmen wie Drachenztänzen, laute Musik, Feuerwand und Feuerwerk beeindrucken und 11 traditionellen leckeren Menügängen schmecken. Die Deaflympics-Flagge wurde von Soldaten heruntergezogen, sauber zusammengefaltet und im Marschgang an die griechische Delegation übergeben, da die nächsten Deaflympics in Athen im Jahr 2013 stattfinden werden. Anschließend wurde die olympische Flamme gelöscht. Die gesamte Zeremonie sorgte für uns alle zu einem unvergesslichen Ereignis.
Autor: Martin Widmann (GTSV Essen)
Quelle: dgs-volleyball.de/blogger